Healthy Hub Live! Kick-off zum neuen Wettbewerb des Healthy Hub

Wie bringt man Digital Health auch in Deutschland zum Fliegen? Auf diese Frage suchte am Mittwoch (10.04.) „Healthy Hub live!“ Antworten gemeinsam mit rund 150 Vertreterinnen und Vertretern von Start-ups, Krankenkassen und der Politik im Spielfeld von Roland Berger in Berlin. Der Healthy Hub selbst ist eine Antwort auf die Eingangsfrage. Denn Ende 2017 startete der erste Wettbewerb, der Start-ups versprach „Wir bringen euch in die GKV“. „Das war ein Versuchsballon und der ist weit geflogen“, sagte Dr. Elmar Waldschmitt, Geschäftsführer des Healthy Hub. Er kündigte den Start des nächsten Wettbewerbs bereits an: am 25. April 2019 geht es in die zweite Runde, dieses Mal mit Einbindung der gesetzlichen Pflegeversicherung.

Fünf Start-ups hatten sich beim ersten Wettbewerb unter rund 80 Teilnehmern durchsetzen können und für ihre Produkte eine von fünf Krankenkassen (BIG direkt gesund, Siemens Betriebskrankenkasse, Hanseatische Krankenkasse, mhplus Krankenkasse, IKK Südwest), die beim Healthy Hub dabei sind, als Partner gewinnen können. Diese fünf Paarungen stellten sich auf der Bühne in lockeren Plauderton vor und es war zu spüren, Start-ups und Krankenkassen hatten auf Augenhöhe zusammengearbeitet. Der Healthy Hub hatte sein Versprechen „Wir bringen Euch in die GKV“ eingelöst.

Einer, der der Digitalisierung im Gesundheitswesen Flügel verleihen will, ist Dr. Gottfried Ludewig, Abteilungsleiter Digitalisierung und Gesundheit im Bundesgesundheitsministerium. Spahn & Co. drücken dort aufs Tempo. Mit einem Ziel: „Der konkrete Mehrwert von Digitalisierung ist in den Mittelpunkt zu stellen“, so Ludewig. Jahr für Jahr würden noch 700 Millionen Rezepte ausgedruckt, daher habe das Ministerium das E-Rezept auf den Weg gebracht. Ebenso wie die Elektronische Patientenakte, die 2021 jede Krankenkasse ihren Versicherten anbieten muss. Und warum müssten sich in der Erkältungszeit Tausende von Patienten in den Wartezimmern der Arztpraxen drängen, nur um sich eine AU-Bescheinigung auszustellen zu lassen? Funktioniere das nicht viel besser digital? Ludewig hält es auch für verrückt, „dass ich meiner Krankenkasse nicht meine Daten zur Verfügung stellen kann“. Oder dass es sehr schwierig ist, seine Daten für die Forschung zu spenden. Ludewig ließ keinen Zweifel daran, dass das Themen sind, über die nicht noch weitere zehn Jahre nur geredet wird. Dabei solle man aus dem Gematik-Flop lernen und eher kleine Schritte gehen, um die Lösungen nicht zu überfrachten.

Welches Tempo das Silicon Valley vorlegt, stellte Thomas Schulz, USA-Wirtschaftskorrespondent beim Spiegel, anschaulich dar. Organe aus dem 3D-Drucker, ein Universal-Test für alle Infektionskrankheiten, ein Krebs-Früherkennungstest per Bluttest, Eingriffe in das Erbgut des Menschen, Blinde sehend machen, den Alterungsprozess aufhalten - das ist nicht Science-Fiction, das ist reale Forschung in den kalifornischen Labors, unterstützt mit hunderten Millionen Dollar von Wagniskapitalgeber. „Die Fortschrittsbeschleunigung ist nicht linear, sondern exponentiell“, so Schulz. Man sehe immer wieder Schübe in den verschiedenen Bereichen, im Moment seien diese in der Medizin zu beobachten. Möglich macht das Künstliche Intelligenz (KI) als Basistechnologie, die die Fähigkeit mitbringt, Daten in großen Mengen zu analysieren. Damit verbunden sind letztlich auch ethische Frage: Was lasse ich zu, öffne ich die Büchse der Pandora, wenn der Mensch die Kontrolle über die Evolution erlangt? „Diese Fragen werden uns in einigen Jahren überrollen“, prophezeite Schulz.

Wo Deutschland bei der Entwicklung von Digital Health steht, wurde abschließend diskutiert. „Ich glaube, dass wir in seiner sehr dynamischen Phase sind“, zeigte sich Dr. Gertrud Demmler, Vorständin der Siemens Betriebskrankenkasse, überzeugt. Auf ihrer Wunschliste: Ein schnellerer Marktzugang für gute Versorgungsprodukte und weniger Hürden von Seiten des Bundesversicherungsamtes. „Meine ganz große Bitte ans BMG: Bei Entwicklungsprozessen die Nutzerorientierung in den Mittelpunkt zu stellen!“ Da widersprach Dr. Ludewig nicht. Die Herausforderung sei, den Kassen mehr Freiheiten zu geben. Der Marktzugang müsse anders als bisher geregelt werden, denn dieser sei auch extrem wichtig für Investoren. Allerdings ginge das weniger über Selektivverträge, vielmehr müsse der Gesamtmarkt geöffnet werden. Ludewig ergänzte mit Blick auf die USA: „Wir müssen einen europäischen Weg finden, bei dem Geld nicht mit dem Datenbesitz verdient wird, sondern mit der Verbesserung der Versorgung.“

Die größte Herausforderung für ein Start-up im Digital-Health-Bereich sei, dass die Lösung nicht nur dem Patienten, sondern auch dem Arzt und den Krankenkassen Vorteile bringen müssten, sagte Gloria Seibert, Gründerin und Geschäftsführerin der Temedica GmbH. Und man brauche Geld für den großen Wurf. Weiteres Hindernis: der Datenschutz, da werde mehr verlangt, als der Nutzer erwarte.  Das sah Dr. Elmar Waldschmitt ebenso: Beim Valsartan-Skandal hätte BIG direkt gesund ihre betroffenen Versicherten informieren können, „durften wir aber nicht“

Zum Schluss blickte die Diskussionsrunde ein Jahr in die Zukunft. Was sollte dann erreicht sein? „Die Zahl der Start-ups sollte sich verzehnfacht haben“, sagte Dr. Karsten Neumann, Partner bei der Roland Berger GmbH.

Im Silicon Valley ist Netzwerken alles, hatte Thomas Schulz gesagt. Und genau das taten die Besucher nach dem offiziellen Programm.

 

Bildnachweis: Andreas Schoelzl

 

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